„Das große Heft“ von Agota Kristof hat mich erschüttert und so in seinen Bann gezogen, dass ich es an einem Abend durchlesen musste - und das, obwohl ich zwischenzeitlich aus Angst vor der nächsten Grausamkeit nicht umblättern wollte.
Der Roman spielt gegen Ende des 2. Weltkriegs. Von den Bombardierungen sind vor allem die großen Städte betroffen und es herrscht Hunger. Eine Mutter gibt ihre Zwillingssöhne in die Obhut der Großmutter, damit diese in einer ländlichen Gegend den Krieg sicher überstehen. Die Großmutter verhält sich abweisend, nimmt aber ihre Enkelkinder, von deren Existenz sie bis dahin nichts wusste, widerwillig bei sich auf. Fortan leben die Zwillinge in einem lieblosen Umfeld voller Gewalt, Demütigung und sexuellem Missbrauch. Die hochintelligenten Jungen im Grundschulalter verordnen sich selbst ein Übungsprogramm zur Abhärtung, damit ihnen Schmerz, Hunger und Töten nichts mehr anhaben können. All ihre Begegnungen und Erlebnisse verarbeiten sie im Spiel und erschaffen für sich ein ganz eigenes Überlebenstraining. Sie nehmen ihre „schulische“ Ausbildung selbst in die Hand, lesen die Bibel und benutzen das schwere Wörterbuch ihres Vaters, um neue Wörter zu lernen und ihre Rechtschreibung zu verbessern. Sie beginnen Aufsätze über ihre Beobachtungen und Erlebnisse zu schreiben. Die oberste Regel dabei lautet: „Der Aufsatz muss wahr sein (….) zum Beispiel ist es verboten zu schreiben: „Großmutter sieht wie eine Hexe aus“, aber es ist erlaubt zu schreiben: „Die Leute nennen Großmutter eine Hexe.“ (…) Wir werden schreiben: „Wir essen viele Nüsse“, und nicht: „Wir lieben Nüsse“, denn das Wort „lieben“ ist kein sicheres Wort, es fehlt ihm an Genauigkeit und Sachlichkeit. „Nüsse lieben“ und „unsere Mutter lieben“ kann nicht dasselbe bedeuten.“ (Piper Taschenbuch 2009, S. 29).
Die Kapitel in „Das große Heft“ sind sehr kurz, die Sprache schnörkellos und präzise. Das Buch ist konsequent in der Wir-Form geschrieben; wir lesen dort die Aufzeichnungen der Zwillinge. Trotz der Verrohung, die überall zu spüren ist, gibt es Momente, in denen die Zwillinge andere Menschen schützen und versorgen. Sie folgen in ihren Handlungen nur ihren eigenen Regeln. Das Ende ist abrupt, überraschend und lässt mich irritiert zurück.
Harte Kost!
„Das große Heft“ von Agota Kristof hat mich erschüttert und so in seinen Bann gezogen, dass ich es an einem Abend durchlesen musste - und das, obwohl ich zwischenzeitlich aus Angst vor der nächsten Grausamkeit nicht umblättern wollte.
Der Roman spielt gegen Ende des 2. Weltkriegs. Von den Bombardierungen sind vor allem die großen Städte betroffen und es herrscht Hunger. Eine Mutter gibt ihre Zwillingssöhne in die Obhut der Großmutter, damit diese in einer ländlichen Gegend den Krieg sicher überstehen. Die Großmutter verhält sich abweisend, nimmt aber ihre Enkelkinder, von deren Existenz sie bis dahin nichts wusste, widerwillig bei sich auf. Fortan leben die Zwillinge in einem lieblosen Umfeld voller Gewalt, Demütigung und sexuellem Missbrauch. Die hochintelligenten Jungen im Grundschulalter verordnen sich selbst ein Übungsprogramm zur Abhärtung, damit ihnen Schmerz, Hunger und Töten nichts mehr anhaben können. All ihre Begegnungen und Erlebnisse verarbeiten sie im Spiel und erschaffen für sich ein ganz eigenes Überlebenstraining. Sie nehmen ihre „schulische“ Ausbildung selbst in die Hand, lesen die Bibel und benutzen das schwere Wörterbuch ihres Vaters, um neue Wörter zu lernen und ihre Rechtschreibung zu verbessern. Sie beginnen Aufsätze über ihre Beobachtungen und Erlebnisse zu schreiben. Die oberste Regel dabei lautet: „Der Aufsatz muss wahr sein (….) zum Beispiel ist es verboten zu schreiben: „Großmutter sieht wie eine Hexe aus“, aber es ist erlaubt zu schreiben: „Die Leute nennen Großmutter eine Hexe.“ (…) Wir werden schreiben: „Wir essen viele Nüsse“, und nicht: „Wir lieben Nüsse“, denn das Wort „lieben“ ist kein sicheres Wort, es fehlt ihm an Genauigkeit und Sachlichkeit. „Nüsse lieben“ und „unsere Mutter lieben“ kann nicht dasselbe bedeuten.“ (Piper Taschenbuch 2009, S. 29).
Die Kapitel in „Das große Heft“ sind sehr kurz, die Sprache schnörkellos und präzise. Das Buch ist konsequent in der Wir-Form geschrieben; wir lesen dort die Aufzeichnungen der Zwillinge. Trotz der Verrohung, die überall zu spüren ist, gibt es Momente, in denen die Zwillinge andere Menschen schützen und versorgen. Sie folgen in ihren Handlungen nur ihren eigenen Regeln. Das Ende ist abrupt, überraschend und lässt mich irritiert zurück.